Produktbeschreibung: Wann ein Bistrotisch 475 EUR kosten darf

Von Mirja Stöcker
Gute Texte generieren Mehrwert. Was soll das heißen? Nehmen wir als Beispiel ein französisches Bistrotischchen. Oder genauer: die Produktbeschreibung eines französischen Bistrotischchens. Was wären Sie bereit, für ein solches Exemplar von Marmortischlein zu bezahlen? Und denken Sie daran: Mehr als eine Kaffeetasse und ein Croissant passen auch wirklich nicht drauf auf so ein hübsches Ding.

Überteuert. Überteuert?

Wie wäre es mit schlappen 475 Euro für das Tischchen? Überteuert? Aber was, wenn dieser putzige "Guéridon" von einer Qualität und Exklusivität wäre, an die Privatkunden im Einzelhandel normalerweise gar nicht kommen? Wenn Sie sonst bis nach Aix-en-Provence fahren müssten, um an eben solchem Ihren Café au Lait zu trinken? Und wenn der Säulenfuß in einer Gießerei in den Ardennen hergestellt würde, nach den Original-Gießmodellen von 1900? In einem Verfahren, von dem Sie nicht die Spur einer Ahnung haben, dessen Name aber Musik in Ihren Ohren ist? Und wenn außerdem noch der unbehandelte Carrara-Marmor - CARARRA! nie gehört - unsichtbar und nur für Sie so verstärkt würde, dass er ein Leben lang halten müsste? Würden Sie sich die Noblesse des Fin de Siècle auf Ihren Balkon holen?

Guter Text schafft Mehrwert

Der Erfolg hochwertig positionierter Unternehmen gründet unter anderem auf solch gelungenen Begründungen für die Preisschilder auf ihren Produkten. Die Rede ist von der Produktbeschreibung, die dem Prinzip "adding customer value" folgt. Bei dieser Begründung handelt es sich um eine gute Geschichte: um für die tatsächliche Tauglichkeit des Produktes zwar völlig irrelevante, aber ungewöhnliche, unendlich charmante, einprägsame und liebevolle Details. Witzigerweise macht das den eigentlichen Unterschied zwischen Wohnen und Leben, obgleich diese Differenz von einem Anbieter in einem anderen Quadranten des Positionierungskreuzes formuliert wurde. Wenn also eine solche Geschichte ihren Zweck erfüllt, dann hat guter Text aus einer guten Geschichte eine Erfolgsgeschichte gemacht. Die oft immer noch stiefmütterlich behandelte Produktbeschreibung hat mit Ihrem Positioning Statement und Ihrem Pricing also eigentlich eine ganze Menge zu tun.

Gut oder genial?

Das kann man sicher gut oder verwerflich finden. Verwerflich vor allem dann, wenn man die 475 Euro für den Bistrotisch nicht aufbringen kann und sein fades Leben auch weiterhin ohne das edle Flair der Jahrhundertwende fristen muss. Oder wenn man von Marketing noch nie etwas gehalten hat. Käuferin oder Käufer der edlen Ausführung werden ihre Kaufentscheidung hingegen nicht bereuen, worauf es letztlich ankommt. Denn das ist noch eine Leistung von gutem Text: Reduzierung der Nach-Kauf-Dissonanz. Schließlich ist der Mensch von sich aus leider nur selten zufrieden.

Bleibt nur noch die nicht ganz unerhebliche Frage zu klären, was eigentlich ein guter Text ist, der diesen Mehrwert generieren kann. In jedem Falle ist es einer, der vor fundiertem Marketing-Background entsteht. Magister, Master, Wissenschaftskompetenzen und Sprachliebhaberei mögen des Texters Fundament, aber nicht sein Werkzeug sein. Wer auf engstem Raum Kommunikationsziele erreichen will, braucht ein Verständnis von Zusammenhängen, das man in vielen Texter-Viten vergeblich sucht. Finden Sie es. Sonst können Sie Ihre Produktbeschreibung auch selbst texten.

PS: Outing

Ja: Dieses französische Bistrotischchen steht auf meiner Veranda. Ja: Ich kam mir völlig bescheuert vor beim Kauf. Nein: Ich habe es nicht bereut. Dieses Camarra- oder Cararra-Zeug macht meine Veranda zur wunderhübschesten Veranda, die ich jemals hatte. Und die Ardennen liegen jetzt bei Freiburg im Breisgau.

18.11.2015

Kategorie: Werbung

Tags: Mehrwert