Der Werbetext und die Crux mit der Kreativität.

Von Mirja Stöcker
Schreiben kann ja grundsätzlich jeder. Sogar für viele Texter scheint die Formel für guten Text Begabung x Zeit zu lauten. Werbeagenturen inszenieren gern den kreativen Genius. Er wertet die angeschlagene Werber-Reputation auf, bewahrt ein kommunikatives Alleinstellungsmerkmal und dient manches Mal als Ersatz für Methoden. Doch nicht überall, wo Kreativität propagiert wird, wird auch Kreativität geliefert. Wie viel Kreativität braucht ein guter Werbetext überhaupt? Und wozu braucht man wirklich einen Texter?

Auf der Suche nach dem kreativen Genius

Auf Twitter recherchiere ich nach dem Schlagwort #Werbeagentur und studiere die Profile einiger Agenturen. Hier muss die twitternde Person oder das Unternehmen mit wenigen Zeichen rüberbringen, was sie ausmacht. Eine kreative Werbeagentur sollte das ganz ausgezeichnet können.

  • Ich lese bei einer Agentur tatsächlich den folgenden und einzigen Satz: "Wir betreuen Sie vom ersten Gespräch bis zur Realisierung Ihrer Projekte". Was sagt das aus? Gemeinplatz, Selbstverständlichkeit, größtmögliche Banalität - wie auch immer Sie es nennen, eine überzeugende Kostprobe ist das nicht. Natürlich hoffen wir, dass wir als Kunde nicht mitten im Projekt abserviert werden. Zugleich ist der Wunsch, umsorgt zu werden, normalerweise kein Grund, sich an Kreative zu wenden.
  • Ein anderes Beispiel: "Wir sind die "Name" #Werbeagentur". Die Agentur setzt einen Hashtag und zeigt damit, dass sie die Twitter-Regeln kennt. Sonst steht da allerdings nichts.
  • Und weil alle guten Dinge drei sind: "Unser Agentur-Team bietet strategische Planung, kreative Arbeiten und einen zuverlässigen Mediaservice. Unsere Kommunikation unterstützt Unternehmensziele." Unser, unser, unser. Erstens widerspricht so viel Selbstbezogenheit den Grundregeln guter Kommunikation. Zweitens werden Ziele nicht unterstützt, sondern hoffentlich erreicht. Und "kreative Arbeiten", ach ...

Offen gesagt: Ich habe eine Stunde lang nach #Werbeagentur recherchiert. Die besten Profilsätze waren die, die gleich ganz weggelassen wurden. Also zum Beispiel: "Agentur, Marketing, Design". Das sind nur noch Schlagworte. Für eine Keywordliste brauchen Sie allerdings keine Kreativen, da tut es auch der Google Keyword Planer. Überhaupt wundere ich mich. Es sind ja auch ausgerechnet die Kreativen, die Angst vor einem Verbot sexistischer Werbung haben. Ich fand Sexismus noch nie kreativ.

Was ist wichtiger: Kreativität oder Methode?

Angenommen, Kreativität und Methoden wären wirklich Gegensätze - was wäre wichtiger? Für mich fällt die Antwort eindeutig aus: Methode. Man kann nämlich durchaus sehr kreativ am Thema oder an der Zielgruppe vorbei schreiben, wenn man keine funktionierende Methode hat. Umgekehrt kann ein methodisches Vorgehen zwar uninspirierte, aber doch immerhin relevante Kommunikationsbeiträge hervorbringen.

Aber ist das überhaupt die richtige Frage? Kreativität oder Methode? Nur weil manche Anbieter so tun, als wäre ihre Kreativität für Kunden unabdingbar, heißt das noch lange nicht, dass Kreativität tatsächlich vom Himmel und Menschen in schwarzen Rollkragenpullis auf den Kopf fällt. Kreativität ist in Wahrheit selbst eine Methode. Man kann sie fördern und trainieren. Und effektiv wird sie erst dann, wenn man sie mit anderen Methoden kombiniert. Kreatives Texten ohne Marketing-Know-how bringt bestenfalls Zufallserfolge.

Was sich schön liest, muss nicht verkaufen. Was verkauft, muss nicht den richtigen Kunden verkaufen. Was den richtigen Kunden verkauft, muss sie nicht begeistern.

Und was ist jetzt ein guter Werbetext?

Was Kunden begeistert, ist mit kreativer Methodik gemacht! Bevor er anfängt zu schreiben, hat ein guter Werbetexter daher verstanden, wer Sie für wen sind. Erst dann kann guter Text für eine starke und konsistente Kommunikation sorgen, mit der Sie tagtäglich genau das sein werden, was Sie sein wollen.

14.06.2018

Kategorie: Werbung